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Die CD ist tot, es lebe die <strike>MP3</strike>Schallplatte?

Die CD ist tot, es lebe die MP3Schallplatte?

Vor knapp einem viertel Jahrhundert fing ich an, von der Schallplatte auf die CD umzusteigen. Heute, nicht einmal eine Generation später, schmücken meine CDs in erster Linie nur noch das Regal, die Musik kommt meistens aus dem MP3 Player. Bei Diskussionen um diese Medienwechsel stellt man fest, dass die Skeptiker damals wie heute recht ähnliche Überzeugungen vertreten. Manchmal steckt Handfestes dahinter, häufig ist da jedoch der Wunsch der Vater des Gedankens.

Papa, was ist das?“ war die kurze, aber präzise Frage. Dabei deutete er auf das Display meines Smartphones, in dessen Display gerade das Cover einer CD zu sehen war. Wobei da die Bezeichnung ja eigentlich schon falsch ist, denn das Handy arbeitete gerade als MP3-Player (MP3 steht in diesem Beitrag stellvertretend für digitale Formate, die zum Abspielen von Musik genutzt werden) und zeigte die Grafik eines Covers eines Albums, aus dem gerade ein Lied lief.

Es war „Weather with you“ vom „Woodface“ Album der australische – neuseeländichen Band „Crowded House“ und es war wohl in erster Linie die Holzmaske, die die Aufmerksamkeit des Juniors erregte. Versucht man nun einem Dreijährigen (derzeit zählt er „Eins – zwei – drei – drei einhalb“, was deutlich macht, das er schon näher an der vier ist) etwas wie Dateien zu erklären, stößt man schnell an Grenzen, die richtige CD musste als Anschauungsobjekt herhalten. Die leicht angestaubte Hülle erinnerte mich daran, dass ich diese CD schon lange nicht mehr abgespielt habe, vermutlich das letzte Mal als ich sie „gerippt“ habe (ich hätte auch digitalisiert schreiben können, aber im Grunde ist die CD ja selbst schon digital).

Da ich gerade so wunderbar in Erklärlaune war, holte ich eines meiner Lieblingsalben als weiteres Anschauungsmaterial hervor: Pink Floyds „The Final Cut“ (okay, im Grunde Roger Waters „The Final Cut“, performed by Pink Floyd, aber Details sollen jetzt nicht aufhalten), das ich dann in drei Varianten vorliegen habe (die Special Edition CD und die „normale“ CD zähle ich mal als eine Variante): als Schallplatte, als CD und mittlerweile auch in rein digitaler Form, auf der Festplatte bzw. dem MP3-Player (von den beiden CDs gerippt). Während die Schallplatte sehr großes Interesse erzeugte, erinnerte ich mich an die zweite Hälfte der 80er, in der ich von der Schallplatte auf die CD umgestiegen bin. Einen Teil meiner damaligen Plattensammlung (da ich zu der Zeit Schüler war, war die durchaus noch überschaubar) gab ich meinem Bruder, andere habe ich verkauft, wenige habe ich behalten (was mich heute dann doch etwas ärgert, also nicht die, die ich behalten habe, sondern die, die ich weggegeben habe).

So oder so: Die Kopfzeitmaschine war aktiviert! Schallplatten wurden gekauft und gleich auf Kassette aufgenommen (in der Regel passte auf eine 90er zwei LPs oder eine Doppel-LP), damit der Original Tonträger geschont wurde (außerdem wurde die Kassette zunächst für den Walkman, später für das Autoradio benötigt). Mit der CD änderte sich das dann: Da keine Nadel über die CD kratzte, konnte man sie rein theoretisch unendlich abspielen (Kassetten wurden immer noch für Walkman/Autoradios aufgenommen, außerdem für eigene Zusammenstellungen, denn an die brennbare CD war noch lange nicht zu denken), aber vor allem war die Bedienung wesentlich angenehmer: Lied Nummer drei? Zweimal „Vor“ gedrückt, ein Lied bis zum Umfallen wiederholen, eine eigene Reihenfolge programmieren, da konnte die Schallplatte einfach nicht mithalten. Das automatische Aus- und Einfahren der CD-Schublade wurde ebenfalls zum Ritual und auch wenn man Anfangs noch sehr ehrfürchtig mit der CD umging, wurde das dann doch irgendwann alltäglich (und im Laufe der Zeit fand dann auch nicht mehr jede CD sofort den Rückweg in die Hülle). „Kultiger“ war und bleibt das Auflegen einer Vinylscheibe und das Aufsetzen des Tonarmes (unabhängig davon, ob das automatisch, halb automatisch oder komplett händisch erledigt wurde) und schnell offenbarte sich auch, das ein Plattencover wie U2s „Achtung Baby“ einfach interessanter anzuschauen ist, als das entsprechende CD-Booklet (hier und da wurde dem mit Faltcovern entgegengewirkt, aber das Gleiche war das nicht und wird es auch nicht sein).

Damals wie heute rümpfen audiophile Musikliebhaber die Nase: Die CD klänge kalt, es würde an Dynamik fehlen und auch die MP3 kommt in den Kritiken nicht wirklich gut weg. Dass die CD einen größeren Dynamikumfang als die Schallplatt (Gute-Frage)bietet und selbst HiFi-Liebhaber auf qualitativ hochwertigen Anlagen die CD von der hochwertig, gerippten MP3 (Siehe: Der c’t-Leser-Hörtest: MP3 gegen CD HiFi-Liebhaber können MP3s von CDs nicht unterscheiden) nicht unterscheiden können, sollte genug aussagen. Klangtechnisch gesehen gibt es damit eigentlich kaum ein ernsthaftes Argument gegen Musik in reiner Dateiform (Speziell der verlinkte c’t Test wurde mit hervorragender Audioausrüstung gemacht, wenn mir dann immer wieder jemand erzählt das er mit seinen kleinen PC-Lautsprechern den Unterschied hört, bleibt die Vermutung, dass der verwendete Codec schlecht ist, oder das es schlichtweg Einbildung ist). Das der Dynamikumfang der CD, bzw. bei heutigen Aufnahmen nicht genutzt wird, ist eher ein produktionstechnisches Problem: Vergleicht man verschiedene Ausgaben des gleichen Albums von 1990, 2000 und 2010, kann man einen extremen Dynamikverlust beobachten, aber das ist ein anderes Thema).

Gab es schon den angesprochenen Bedienungskomfortschritt beim Wechsel von der Schallplatte zur CD, war es beim Wechsel zur MP3 ein Sprung („Small step for man, giant leap for mankind!“ :)). Eine ordentlich gepflegte MP3-Sammlung ist in Verbindung mit dem richtigen Programm an Komfort wohl kaum zu überbieten (einzig die Zufallsgeneratoren der verschiedenen Player lassen mich manchmal verzweifeln).

Beobachtet man dann Verkaufszahlen, fällt auf, dass der Anteil der heruntergeladenen (bezahlten) MP3-Dateien immer größer wird, der Anteil der verkaufen CDs entsprechend kleiner. Interessant ist auch, dass der Verkauf von Tonträgern immer mehr zum Merchandising mutiert (es ist bezeichnend, dass einige große Künstler bereits Verträge mit Konzertagenturen anstatt mit Plattenfirmen haben).

Speziell Top Acts können dem noch etwas entgegenwirken, indem sie Special Editions, Limited Editions, Superduperhastdunichtgesehen Editions ihrer Alben verkaufen. Vom letzten U2-Album sind beispielsweise 5 verschiedene Versionen erhältlich gewesen (denn Download bei iTunes oder Amazon noch gar nicht mit eingerechnet): die Standard-CD, das Digipack (mit zusätzlichem Poster und Film-Download), die Magazin Edition (mit 64 Seiten Magazin und Film-Download), das limitierte Box-Set (mit Buch, DVD und Poster) und die Vinyl Ausgabe.

Wenn ich mir nun überlege, wie oft die CD seit dem Erscheinungstermin im CD-Spieler war (zwei Mal, einmal zum Rippen und einmal einfach so), so hätte es auch der Download getan. Die DVD habe ich auch nur einmal gesehen und das Booklet könnte man auch mit der Vinyl zusammen packen. Technisch gesehen gibt es eigentlich keinen Grund mehr, die CD zu kaufen, und das Cover der Schallplatte bietet einfach mehr Platz, im Grunde ist die CD schon tot, einzig die Verbreitung von CD-Spielern (und entsprechende Abwärtskompatibilitäten von DVD und Blue-Ray Playern) zögern das Ende noch hinaus. Wenn ich wirklich das Haptische benötige, dann ist das (fast schon kultische) Auflegen einer LP doch dem einlegen einer CD bei weitem Überlegen, und auch wenn neue Möglichkeiten (Cover-Art auf dem PC-Monitor, Tablet-Computer Display) durchaus interessant sind, ein richtig großes Plattencover (speziell das einer Doppel-LP) ist so schnell nicht zu schlagen.

Apple und andere haben mittlerweile ihr eigenes, digitales Albumformat entwickelt, Multimediainhalte bieten interessante Möglichkeit, nachladbare Inhalte bergen aber auch die Gefahr, dass das Format irgendwann nicht mehr komplett verfügbar ist. Während sich die Vertriebskanäle noch auf ein Äquivalent zum Album einigen müssen, liegt es an den Künstlern (und ihren Vertriebspartnern) in Zukunft Alben anzubieten, die den Konsumenten davon abhalten nicht nur einzelne Songs herunterzuladen.

Doch auch bei den Musikdownloadportalen zeichnet sich schon wieder der nächste Wandel an: Musik muss nicht mehr heruntergeladen werden, sondern wird von Streamingdiensten angeboten (die „Cloud“ lässt grüßen).

Ob diese beiden Entwicklungen gut für die Musikqualität sind, da traue ich mir keine Prognose zu. So oder so: Die CD ist im Grunde tot, die totgesagte LP wird sie wohl überleben. Ich lege jetzt auf alle Fälle meine „The Final Cut“ auf den Plattenteller und denke an die Zeiten, in denen es keine CD und vor allem keine MP3s gab!

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